Die Geschichte des amerikanischen Militärs in Heidelberg beginnt mit der Einnahme der Stadt durch die US-Truppen im März 1945. Nach Kriegsende wurden in der Stadt nach und nach diverse Zentralen von unterschiedlichen US-Truppenteilen errichtet. Von 1952 bis 2013 war in Heidelberg das Europa-Hauptquartiers der United States Army Europe (USAREUR) untergebracht – ebenso wie der Sitz des NATO-Landhauptquartiers Mitteleuropa.
Die amerikanischen Militär-Areale, bestehend aus mehreren Kasernen, Wohnsiedlungen, einem Krankenhaus und einem Militär-Flughafen waren mit einer Gesamtgröße von rund 180 Hektar auch flächenmäßig sehr umfangreich. Jahrzehntelang war Heidelberg die Heimat von vielen amerikanischen Armeeangehörigen und deren Familien – bis zu 16.000 lebten in der Stadt, die in dieser Zeit von rund 112.000 auf über 150.000 Einwohner (Stand 2013) gewachsen ist.
Im Jahr 2009 kündigten die Amerikaner an, das Hauptquartier ihrer Streitkräfte in Wiesbaden neu zu errichten und den Standort Heidelberg, der über verschiedene Quartiere im Stadtgebiet verteilt war, komplett aufzugeben. Mit diesem Beschluss wurde eine Ära beendet, welche die Stadt sowohl in ihrer gesellschaftlichen Struktur als auch in ihrer städtebaulichen Entwicklung mehr als 65 Jahre lang geprägt hatte. Diese Ankündigung war ein Schock für viele Bürger der Stadt– ob sie nun der Armee zugehörig waren oder nicht. Einige Branchen befürchten Verluste, wenn die US-Militärangehörigen nicht mehr als Kunden und Konsumenten für unterschiedliche Nachfragen und Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Die Stadtverwaltung bezifferte damals den zu erwartenden Kaufkraftverlust auf ca. 10 Mio. € im Einzelhandel, 5 Mio. € in der Gastronomie und ca. 30 Mio. € im Handwerk. Als der Beschluss zum vollständigen Abzug gefasst wurde, waren in den Heidelberger Standorten noch ca. 9.000 Soldaten und Zivilbeschäftigte untergebracht.
Viele Amerikaner, die einen Großteil ihres Lebens in Heidelberg verbracht haben, fühlten sich hier beheimatet. “Patrick Henry Village, das war Klein-Amerika”, beschrieb ein Army-Angehöriger seine Erinnerungen und Gefühle – stellvertretend für viele andere, die Ihren Lebensmittelpunkt in Heidelberg entwickelten.
In der Nachkriegszeit und in der Aufbauphase der US-militärischen Einrichtungen wurden noch verhältnismäßig offene Strukturen gepflegt, die Armeeangehörigen waren im Stadtbild präsenter; die Architektur und die Quartiere der Armee waren weniger abgeschottet – Heidelberg wurde durch die Amerikaner sehr stark geprägt. Als Symbol der Nähe zur Stadtgesellschaft wurde beispielsweise jedes Jahr ein deutsch- amerikanisches Volksfest gefeiert – bis dieses aufgrund der Sicherheitslage nach den Anschlägen vom 11.September 2001 und der damit verbundenen Gefahr von weiteren Terrorakten zuerst den Standort wechselte und schließlich komplett gestrichen wurde. Die weiter ausgebauten Sicherheitsvorkehrungen schufen nach und nach Distanz – Während die Soldatinnen und Soldaten statt in Uniform zunehmend in Zivil unterwegs waren, wurde der militärisch prägende Charakter der amerikanischen Einrichtungen immer stärker betont.
Im Jahr 2014 wurden in Heidelberg die letzten der über das gesamte Stadtgebiet verteilten Areale der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben übergeben. Bis sich in diesen Konversionsflächen neue, zivile Nutzungskonzepte und Stadtstrukturen entwickelt haben werden, werden noch Jahre vergehen – Die Ausarbeitung der unterschiedlichen städtebaulichen Planungen und Entwicklungen unter Einbeziehung verschiedener Bürgerbeteiligungsverfahren zu den Konversionsflächen lief an, wird aber bis zur Umsetzungsreife sehr viel Zeit benötigen.
Die verlassenen Anlagen definieren sich aktuell immer noch durch die starken Abschottungen und Sicherheitseinrichtungen. Nach wie vor schaffen diese verlassenen Barrieren den Zustand einer nicht vorhandenen Erreichbarkeit der ehemaligen Heimat der US-Army. Die zivile Umgebung rückt immer weiter an die aufgegebene Heimat heran – Kein Sicherheitsdienst sorgt für den früher vorhandenen Respektabstand. Das führt dazu, dass im momentanen Schwebezustand die Einschnitte, Abgrenzungen, Zäune und Absperrungen vor den Geistersiedlungen stärker als früher spürbar sind.
In meiner Arbeit steht der Zaun, die Barriere, die Abschottung der nicht mehr funktionierenden Heimat für das X. Hier wird die Distanz, die Unerreichbarkeit trotz der räumlichen Nähe spürbar und erzeugt in Kombination mit dem Wissen um die verlassenen Orte Irritation. Zudem kann das X als durchstreichendes, auslöschendes Element gelesen werden – der Ort lebt nicht mehr, er beheimatet keine Menschen mehr und ist somit seiner zentralen Bedeutung und seiner Seele beraubt. Alle kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Funktionen, welche identitätsprägend sind und somit eine Grundvoraussetzung für das Vorhandensein einer Heimat darstellen, sind verschwunden – die Heimat existiert nicht mehr ! – deshalb Heimat !
Die Fotoserie ist in den Wintermonaten zum Jahresbeginn 2015 aufgenommen. Die Präsentation im Querformat 100×70 cm erfolgt klassisch als gerahmter und mit Passepartout versehener Fine-Art-Print. Die 9. Wiesbadener Fototage fanden vom 27.6. bis 12.7.2015 an verschiedenen Ausstellungsorten statt.